Christliche Konfessionen und ihre Kirchen

Was Kirchenverständnis, Kirchenbau und -ausstattung angeht, haben die verschiedenen christlichen Konfessionen ihre je eigenen Traditionen und Regeln ausgebildet. Darum lässt sich beim Betreten einer Kirche – und manchmal schon von außen – anhand bestimmter Merkmale zuverlässig feststellen, welcher Konfession die Gemeinde angehört, die in der Kirche Gottesdienst feiert. Worin unterscheiden sich katholische, evangelische und orthodoxe Kirchen durch alle Epochen hindurch? Und was ist typisch für eine unierte, eine alt-katholische, eine methodistische oder eine anglikanische Kirche? Antworten auf diese Fragen und Fotobeispiele dazu finden sich in der folgenden Tabelle – wobei wie überall Ausnahmen die Regel bestätigen.

Orthodox
Katholisch Anglikanisch Evangelisch
Gemeinsamkeiten

Nach dem Vorbild des Tempels in Jerusalem, immer nach Osten ausgerichtet

Von West nach Ost:

  1. Pro-Fanum / Exonarthex
  2. Pro-Fanum / Narthex mit Taufbecken
  3. Fanum / Kirchenschiff für die Gläubigen
  4. Ikonostase
  5. Allerheiligstes (Altarraum), durch Ikonostase den Blicken der Gemeinde entzogen, nur den Priestern und Diakonen zugänglich

Altarraum als direkte Verbindung von irdischer und himmlischer Kirche

Nach dem Vorbild des Tempels in Jerusalem, vorzugsweise nach Osten ausgerichtet

Von West nach Ost:

  1. Pro-Fanum / Vorhalle
  2. Fanum / Kirchenschiff für die Gläubigen
  3. Lettner / Chorschranke
  4. Allerheiligstes (Altarraum / Chor), meistens einsehbar, den Priestern, Diakonen und Messdiener*innen vorbehalten

Altar als Ort des Messopfers und Zentrum der Kirche

Oft nach Osten ausgerichtet

Altarraum abgetrennt, aber fast immer einsehbar, in der Regel den am Gottesdienst Mitwirkenden vorbehalten

High Church katholisierend, Low Church eher calvinistisch

Manchmal nach Osten ausgerichtet

Priestertum aller Gläubigen, darum Altarraum in Gemeinderaum integriert

Altar als Abendmahlstisch und oft als Ort des Gebets und des Segens

Kanzel als (zweites) Zentrum

Russisch-orthodox Griechisch-orthodox Römisch-katholisch Alt-katholisch Anglikanisch Lutherisch Uniert Reformiert / Calvinistisch
Methodistisch

Kirchenverständnis

Haus / Tempel  Gottes

Haus / Tempel Gottes

Heiliger / Geweihter Raum

Eingang im Westen, Gemeinde / Kirchenschiff auf Altar ausgerichtet

Vergleich geweihte und profanierte Kirche:

Heiliger Raum

Gemeinde auf Altar ausgerichtet

Versammlungsraum der Gemeinde sowie Ort der Wortverkündigung und Sakramentenspendung (gleichgewichtig)

Versammlungsraum der Gemeinde sowie Ort der Wortverkündigung und Sakramentenspendung (gleichgewichtig)

Altar, Kanzel und Taufstein als Prinzipalstücke im Blickfeld der Gemeinde

Versammlungsraum der Gemeinde sowie Ort der Wortverkündigung und Sakramentenspendung

Altar, Kanzel und Taufstein als Prinzipalstücke im Blickfeld der Gemeinde

Haus der Gemeinde, Kirchenraum fällt durch äußere Schlichtheit auf, kein heiliger Raum

Raum / Gemeinde auf Kanzel und Wortverkündigung hin orientiert

Sakramentstisch möglich, der alle drei Prinzipalstücke in sich vereint

„Kirche mit Küche“: ein Raum zum Glauben und Leben, manchmal durch Sichtschutz unterteilt

Bevorzugte Kirchenform

Kreuzkuppelkirche mit Zwiebeldächern

Kreuzkuppelkirche

Basilika

Predigerkirche möglich

Breitsaal- oder Predigerkirche möglich und typisch

Oft keine Türme und Glocken

Altar

Als Abbild des himmlischen Jerusalem nach der Offenbarung des Johannes gestaltet, siebenarmiger Leuchter hinter oder auf dem Altar

Tabernakel zur Aufbewahrung der Gaben für Krankenabendmahl auf dem Altar

Haupt- und Seitenaltäre

Fest installiert, zumindest Tischplatte soll aus Naturstein sein

Enthält oft Heiligenreliquie

Kruzifix am, auf oder über dem Altar (oft als Tragekreuz auf einem Stab neben dem Altar)

In der Nähe des Altars: Tabernakel zur Aufbewahrung der geweihten Hostien mit ewigem Licht

Kruzifix am, auf oder über dem Altar (oft als Tragekreuz auf einem Stab neben dem Altar)

Tabernakel zur Aufbewahrung der geweihten Hostien mit ewigem Licht

Block- oder Tischaltar, Altar durch Stufen erhöht

Kruzifix am, auf oder über dem Altar

Kanzelaltar möglich und typisch

Block- oder Tischaltar, Altar durch Stufen erhöht

Kruzifix am, auf oder über dem Altar

Aufgeschlagene Bibel auf dem Altar

Paramente in liturgischen Farben

Altar oder Abendmahlstisch, abhängig von Betonung des lutherischen oder des reformierten Charakters

Altarkreuz, aber häufig kein Kruzifix

Aufgeschlagene Bibel auf dem Altar/Abendmahlstisch

Oft Paramente in liturgischen Farben

Oft ungeschmückter Abendmahlstisch (kann auch nur nach Bedarf in den Kirchenraum geholt werden)

Pfarrer*in steht hinter dem Abendmahlstisch

Kein Kruzifix und nur selten Kreuz

Tisch des Herrn / Tisch für das offene Abendmahl als Zentrum der Gemeinschaft mit Christus

Taufstelle

Im Narthex (Vorhalle)

Im Schiff am (West-)Eingang

Im Blickfeld der Gemeinde

Zusammengruppiert mit Abendmahlstisch und Kanzel

Kanzel

Keine Kanzel

Kanzel vorhanden, aber Gemeinde auf Altar hin orientiert

Paramente in liturgischen Farben (Kanzel und Altar als gleichwertige Zentren)

Paramente in liturgischen Farben

Raum / Gemeinde auf Kanzel hin orientiert

Orgel

Keine Orgel und keine Instrumentalmusik, nur menschliche Stimmen zugelassen

In der Regel an der Westwand

Oft im Blickfeld der Gemeinde (z. B. im Chor)

Licht / Kerzen

Fenster, Kronleuchter, Kerzen und Öllampen als Lichtquellen (jede Kirchenwand hat zwei oder drei Fenster, hängende Öllampen vor Ikonen)

Votivkerzen (oft in Sandschale), um Ikonen zu grüßen und zu ehren

Lichtsymbolik: Halbdunkel im Kirchenraum wird nur zur gottesdienstlichen Feier erhellt

Lichtführung: Von der Finsternis (Vorhalle) durchs Schiff ins Licht (Altarraum)

Osterkerze

meist sechs Kerzen auf dem (Hoch-)Altar

Votivkerzen

Osterkerze

Votivkerzen

Osterkerze

Votivkerzen

zwei, vier (hohe Feiertage) oder sechs (Hochaltar) Kerzen auf dem Altar

Osterkerze

meist zwei Kerzen auf dem Altar

Gestühl Gemeinde steht beim Gottesdienst, evt. Sitzgelegenheiten für Kranke und Gebrechliche

Sedilien für Priester, Diakone, Messdiener*innen

Oft Bänke mit Kniebänken für Gemeinde, manchmal nachträglich eingebaut, keine Sitzemporen

Beichtstuhl/-stühle

In Bischofskirchen: Kathedra (Bischofssitz)

Sedilien für Priester*innen, Diakon*innen, Messdiener*innen

Sitzgelegenheiten für Gemeinde

In Bischofskirchen: Kathedra (Bischofssitz)

Sedilien für Priester*innen, Diakon*innen, Messdiener*innen

Bänke, Kastengestühl oder Stühle für Gemeinde

In Bischofskirchen: Kathedra (Bischofssitz)

Pfarrer*innen und Liturg*innen sitzen bei und oft in Richtung der Gemeinde

Bänke, Stühle, oft mehrere Sitzemporen (manchmal auch mehrgeschossig)

Beichtstühle möglich

Ältestenbank oder -stühle für Gemeindevertreter*innen (Presbyterium / Konsistorium) neben oder hinter dem Abendmahlstisch

Ältestenbank oder -stühle für Gemeindevertreter*innen (Presbyterium / Konsistorium) neben oder hinter dem Abendmahlstisch

Ausstattung und Ausschmückung

Pantokrator als vorherrschende Christusdarstellung

Ikonen, Heiligenbilder, biblische Szenen, keine Skulpturen

Deesis auf der Ikonostase wird Tschin/Cin genannt

Mitglieder der letzten Zarenfamilie werden als Heilige auf Ikonen verehrt

Pantokrator als vorherrschende Christusdarstellung

Ikonen, Heiligenbilder, biblische Szenen, keine Skulpturen

Gekreuzigter als vorherrschende Christusdarstellung

Kreuzwegstationen, Bilder, Reliefs, Fresken, Glasmalerei, Wandteppiche und Skulpturen, die Maria und Heilige darstellen, Weihekreuze und andere Symbole

Weihwasserbecken für Bekreuzigung / Tauferinnerung

Oft keine Liedtafel, sondern Anzeige über Projektor

Wenige Darstellungen von Maria und anderen Heiligen

Dekalogtafeln und Glaubensbekenntnis im Altarraum

Gekreuzigter als vorherrschende Christusdarstellung

Biblische Szenen, Reformatorenbildnisse, Lutherrose, theologisch-katechetisches Bildprogramm, oft auf Emporenwand

Liedtafeln

Keine Skulpturen, wenig bildliche Darstellungen,

Liedtafeln

Wenn überhaupt bildliche Darstellungen und Symbole, dann sehr sparsam (Beachtung des Bilderverbots)

Quellen/Literatur

Ahn, Jae-Lyong, Altar und Liturgieraum im römisch-katholischen Kirchenbau – Eine bauhistorische Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung der Veränderung des Standorts des Altars nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2004

Booth, Joanna, Interpreting Churches, How the belief of a worshipping community is reflected throughout a church building, http://www.nationalchurchestrust.org/sites/default/files/resources/NWMFTA%20interpreting%20churches%202012_0.pdf, abgerufen 17.09.2017

Evangelisch-methodistische Kirche, Typisch methodistisch, http://www.emk.de/glaube/typisch-methodistisch, abgerufen 17.09.2017

Fichtl, Friedemann, Der Teufel sitzt im Chorgestühl – Entdeckungen in alten Kirchen, 6. Aufl., Verlag am Eschbach, Eschbach 2009

Fußbroich, Helmut, Sachlexikon zur liturgischen Kirchenausstattung, Reclam, Stuttgart 2013

Groen, Basilius J., Christian Gastgeber (Hg.), Die Liturgie der Ostkirche – Ein Führer zu Gottesdienst und Glaubensleben der orthodoxen und orientalischen Kirchen, 2. Aufl., Herder, Freiburg 2013

katholisch.de, Das Mobiliar in der "Wohnung des Herrn", http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/das-mobiliar-in-der-wohnung-des-herrn, abgerufen 17.09.2017

Körtner, Ulrich H. J., Ökumenische Kirchenkunde, Evang. Verlagsanstalt, Leipzig 2018

McNamara, Denis R., How to Read Churches – A crash course in Christian architecture, Bloomsbury, London 2011

Monumente Online, Unterschiede im protestantischen Kirchenbau – Die reine Lehre und die Macht der Bilder, https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2008/3/die-reine-lehre-und-die-macht-der-bilder.php, abgerufen 01.09.2017

OrthodoxInfo.de, christlich-orthodoxes Informationszentrum e. V., Orthpedia, http://orthpedia.de/index.php/Hauptseite, abgerufen 17.09.2017

Rauhaus, Alfred, Kleine Kirchenkunde – Reformierte Kirchen von innen und außen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014

Rupp, Hartmut (Hg.), Handbuch der Kirchenpädagogik, Band 1: Kirchenräume wahrnehmen, deuten und erschließen, 3. Aufl., Calwer Verlag, Stuttgart 2016

 
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